Die große (Musik-)Welt in einer kleinen Offenbacher Pasticceria

Datum: 21. September 2015

Ein kleines italienisches Café in der Karlstraße 29 in Offenbach kann auch zuweilen ein Treffpunkt für die große Welt sein. So zum Beispiel heute gegen Mittag: Ich kam auf einen Espresso herein und mein Stammplatz war belegt. Als ich näher hinsah, bemerkte ich, dass ich zumindest einen der Herren von vielen Projekten im Offenbacher Kulturleben kannte. Es war Dr. Ralph Philipp Ziegler, der dort neben einem sympathischen und wachäugigen jungen Herrn saß, gegenüber zwei weitere Herren, offensichtlich Journalisten, die eifrig schrieben. Alle schienen in ein Projekt vertieft und so setzte ich mich still grüßend an das noch freie Bänkchen am rechten Ende des Raumes, bestellte Espresso und ein köstliches zart blätterndes mit Ricotta gefülltes Gebäck. Hin und wieder kreuzten sich die Blicke und kurz darauf, bat mich Ralph Philipp Ziegler zu der kleinen Gesellschaft und stellte mich den Herren vor: Der Wachäugige war kein Geringerer als der international tätige Opern- und Konzertdirigent Roland Böer, der mit Ralph Philipp Ziegler maßgeblich am Aufbau der erfolgreichen Offenbacher Konzertreihe Capitol Classic Lounge beteiligt war, die in diesem Jahr ihr zehnjähriges Bestehen feiert.

Hocherfreut über diesen interessanten Zufall hörte ich von dem Jubiläums-Auftaktkonzert am 11. Oktober 2015. Dann wird Roland Böer die 5. Sinfonie von Gustav Mahler im Capitol dirigieren. Für dieses fulminante Musikfeuerwerk hat die Neue Philharmonie Frankfurt tatsächlich 75 Konzertmusiker auf die Bühne gebeten – die einiges leisten müssen. Denn das anspruchsvolle Werk appelliert sowohl an die physischen wie psychischen Konditionen der Neuen Philharmoniker: Auf Blechbläser und Streicher warten irrsinnig temporeiche und exponierte Soli, denen die Zuhörer schon jetzt entgegen fiebern dürfen.

Die 1904 uraufgeführte Fünfte ist eine sehr poetische und emotionale Komposition. „Sie explodiert und implodiert, leuchtet, verblasst und gewinnt wieder Gestalt in einem den Kosmos füllenden Triumph“, heiß es in der Ankündigung der Capitol Classic Lounge. Deshalb ist die Fünfte hochaktuell und war immer wieder Projektionsstoff für seelische Dramen, so besonders das bekannte Adagietto, welches Mahler seiner jungen Frau Alma widmete und welches Luigi Visconti in seinem legendärem Film „Tod in Venedig“ als sehnsuchtsvoll schwebende Untermalung verwendete.

Roland Böer, der schon den Anfang der Classic Lounge begleitete, dirigiert mittlerweile an der Mailänder Scala, der Wiener Volksoper oder dem London Symphony Orchestra. Für das Offenbacher Jubiläumskonzert musste ein anderes berühmtes Orchester seinen Probenplan so stricken, dass auch für die Classic Lounge noch genügend Zeit bleibt. Denn gleich nach unserem sehr inspirierenden Gespräch in der kleinen Pasticceria reiste Roland Böer nach Florenz, wo er „Cosí fan tutte“ an der dortigen Oper dirigieren wird.

Der weitgereiste Kapellmeister wohnt mit seiner Familie im Offenbacher Mathildenviertel, wohin er sehr gern nach Hause kommt. Studiert hat er in Frankfurt und Würzburg, bevor er von 2002 bis 2008 an der Oper Frankfurt dirigierte. Danach gab es Stationen in Mailand und London, in Berlin, Nizza und Wien. Eine DVD mit Roland Böers Debüt am Teatro alla Scala mit der „Zauberflöte“ in der Produktion von William Kentridge ist bei OPUS ARTE erschienen.

Die 5. Sinfonie von Gustav Mahler unter der Leitung von Roland Böer wird am 11. Oktober um 17 Uhr in der Capitol Classic Lounge in Offenbach zu hören sein. Der Vorverkauf läuft und ich habe mir endlich alle Sinfonien im Paket bestellt, um mich schon mal einzustimmen. Ralph Philipp Ziegler und Roland Böer danke ich für das anregende Gespräch.

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