Eine Liebeserklärung an die Cafés als soziale Plattformen

Welche Rolle spielen Cafés für den sozialen Austausch und die Inspiration neuer Ideen? Als Autorin, Journalistin und Texterin gehe ich einer sehr stillen Beschäftigung nach. Wenn ich nicht gerade persönliche Interviews führe oder leibhaftig recherchiere. Ich sitze allein an meinem Schreibtisch, immer im Homeoffice – forever. Das ist für mich keine ungewohnte Situation, ich brauche das und ich mag das. Ungewohnt ist es für mich, dass ich diese Situation nun kaum unterbrechen kann. Sicher, ich kann spazieren gehen, wieder allein mit mir selbst und meinen Gedanken. Diese sitzen dann fest im Kopf, bilden vielleicht eine Blockade. Als Texterin brauche ich Cafés zur Inspiration.


Ich betrete das Lokal, das meist ein Stammcafé ist, werde von der Betreiberin freundlich begrüßt und wechsele ein paar Worte. Manchmal sind es die ersten menschlichen Worte, die ich an einem Tag höre. Man lächelt sich zu, fragt, wie es geht und dabei geht es einem selbst gleich besser. Man wird aus seinen Gedanken gerissen – und das ist Sinn und Zweck. Ich setze mich und bekomme einen Espresso, den ich mir natürlich auch im Homeoffice machen kann, aber hier ist es anders.

Gedanken durchschütteln


Wenn ich mich nach dem Aufstehen an einen kniffeligen Text setze und mehrere Stunden konzentriert daran arbeite, gehe ich gegen Mittag gern auf einen Espresso ins Café - um die Gedanken ein bisschen durchzuschütteln. So wie man einen guten Cocktail schüttelt, um die Inhaltsstoffe zu einer raffinierten Mixtur zusammenzubringen. Wenn ich einen Text über ein neues Offenbacher Unternehmen, über ein spannendes zeitgenössisches Kunstwerk, über feine Schokoladenkreationen, über Effizienz in der Produktion oder über SEO-Optimierung geschrieben habe, ist das durchaus hilfreich. Dann mache ich einen Spaziergang ins nächste Café. Schon beim Gehen weitet sich der Blick, dann das Gehör und schließlich alle Sinne.

Kaffee inspiriert


Dieser Frischgebrühte ist wie eine kleine Belohnung. Manchmal lege ich noch einen obendrauf und bestelle dazu ein Mandelgebäck oder ein Stück Kuchen (bei sehr trockenen Texten). Wenn ich da so sitze, kommt Johann herein oder Katharina, die auch häufig im stillen Kämmerlein schreiben. Manchmal kommt auch der Leiter eines städtischen Museums herein und vielleicht eine Kundin. Wir begrüßen uns, freuen uns und tauschen uns aus: „Haben Sie schon gehört, dass wir…“ oder „Weißt Du eigentlich, dass der Sowieso…und schon ist man wieder auf dem neuesten Stand. Denn ein Café ist die beste soziale Plattform – zu der man nicht einmal ein Passwort benötigt.


Oft hole ich auch mein Notizbuch heraus und schreibe ein paar Gedanken auf. Das sind meist andere Dinge, die nichts mit den Businesstexten zu tun haben. Manchmal ist es ein Gedicht oder der Anfang einer Kurzgeschichte oder eines Artikels, den ich später irgendwann gern schreiben möchte. Das entspannt mich, bringt Schwung in die Hirnwindungen.

Viele Texte entstehen im Café


Viele meiner Erzählungen auch zu dem neuen Buch „Porträts einer Frau“ (erschienen 2020 im Salsa-Verlag, Göttingen) sind im Café entstanden oder dort inspiriert worden. Es gäbe sie gar nicht, wenn die Kaffeehäuser immer zugesperrt wären. Ich hätte auch viele wichtige Menschen in meinem Leben gar nicht kennengelernt, wie zum Beispiel Johann oder Katharina oder Gisela – mit denen seinerzeit die Idee der „Literatur zur Werkzeit“ (erschienen 2014 in der Edition Berthold) entstand. Die Lesungen fanden damals zur Mittagszeit in Cafés, Läden und Restaurants statt. Sie holten die Menschen für eine Stunde aus ihrem Alltag.

Analoge soziale Plattform


Nun werden vielleicht Einige argumentieren, dass es doch nicht so schlimm sei, wenn die Cafés zu sind. Dazu kann ich nur sagen, es geht vielen Schreibenden und überhaupt Kreativen so wie mir. Es wären eine Menge Bücher nicht entstanden, wenn es keine Cafés gäbe. Auch viele andere Projekte wären nicht umgesetzt worden, viele Bilder nicht gemalt, viele Filme nicht gedreht. Aber auch viele Geschäfte wären nicht getätigt worden. Denn oft ist ein Treffen in einem Café die Initialzündung für eine Kooperation oder einen neuen Auftrag. Das Café ist auf jeden Fall ein Inspirationsmotor und manchmal sogar ein Innovationsmotor.


Für diese analoge soziale Plattform, die Cafés bieten, möchte ich allen Betreiber*innen auf der ganzen Welt hier einmal danken. Bitte haltet durch. Die Menschen brauchen Kaffeehäuser und den persönlichen Austausch mit anderen Menschen. In Wien hat man zum Jahresanfang einige Traditionshäuser für Schüler geöffnet, wo sie mit Abstand lernen können. Wenigstens etwas! https://www.rnd.de/familie/wiener-cafes-offnen-fur-schuler-traditionshauser-bieten-raumlichkeiten-zum-lernen-und-studieren-an-F5IXG5Y2K2G6KJX4NFZRSHWJCY.html

Heute führte mich ein Treffen mit der Grafik Designerin Lisa Beck in die Darmstädter Landwehrstraße und die alte Motorenfabrik, die hier angesiedelt war. Ich lief von der Straßenbahnhaltestelle ein Stück die Kirschenallee entlang, an den Backsteinwänden der Evonik vorbei, die früher mal Röhm hieß. Wo Schienen im Pflaster verwittern, geht es weiter in Richtung eines imposanten Gebäudes mit großen Werkshallen dahinter. Dort, wo von 1902 bis 1960 Dieselmotoren für Lokomotiven und Traktoren hergestellt wurden, ist nachdem die Firma Schenck es abgegeben hat, ein spannendes Areal für kreative Unternehmungen entstanden.

Ich traf mich mit Lisa im Büro des Raum 103, einem Studio für professionelle Postproduktion, das in beeindruckend hohen Räumen mit viel Industriecharme logiert. Die Mitarbeiter begrüßten mich freundlich bis neugierig. Denn Lisa und ich haben ein neues Projekt im Kopf. Mit einem Kaffee setzten wir uns an einem kleinen Plätzchen mit schmucken Betonmöbeln in die Sonne. Wir möchten eine Buch-Idee angehen. Wenn manche nun denken, Print hat doch einen ellenlangen Bart, stimmt das einerseits. Anderseits muss das kein Nachteil sein. Denn schon Herr Goethe wusste: „Was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen.“ Das Zitat ist natürlich wie so viele, die geflügelte Worte geworden sind, aus dem „Faust“. Stimmt aber immer noch.

Denn gegen die Haptik einer Drucksache oder gar eines Buches kommt so schnell nichts an. Irgendwie erregt Gedrucktes mehr Aufmerksamkeit, heftet sich besser ins Gedächtnis als Digitales – und man kann ein Buch oder eine Broschüre unkompliziert einstecken und mitnehmen. Einfach aufklappen und schon ist der Inhalt verfügbar, ganz ohne Netz und WLAN-Passwort. Selbstverständlich ist ein Buch ohne digitale Verknüpfungen heute auch nur noch eine halbe Sache. Die Möglichkeiten einer solchen Verknüpfung sind vielseitig. Ein wichtiges Medium ist beispielsweise der QR-Code, der mit einem mobilen Gerät vom Printprodukt abgescannt werden kann und dann automatisch auf die entsprechende Internetseite weiterleitet. Digital sind dann Produktvideos oder Buchtrailer, 360° Ansichten, Fotos und Karten verfügbar, die dem Leser und Konsumenten eine neue Erlebnisdimension eröffnen und weiterführende Informationen liefern können.

Es geht bei dem neuen Projekt in erster Linie um ein Printprodukt, das neugierig auf Orte machen soll. Und nun müssen erstmal ein Probetext mit Gestaltung erstellt, Kosten kalkuliert und Sponsoren gefunden werden. Aber wir gehen mit Engagement und Freude an die Arbeit – und ich bin dadurch einmal wieder auf einen neuen spannenden Ort gestoßen, den es zu entdecken gilt.

Über Mittag habe ich bereits damit angefangen und bin das Gelände abgelaufen, wo es eine Eventlocation, verschiedene Büros und Künstlerateliers gibt. Zum Beispiel logiert hier der Metallbildhauer Georg-Friedrich Wolf der riesige rostige Puzzleteile aneinanderreiht, die sich im urbanen Umfeld gut machen. Mir gefällt an solchen Teilen besonders die Oberfläche, die sich durch Witterung verändert und lebendig ist. Es scheint so, als ob sich die Natur auch die Mineralien zurückerobert, bis irgendwann alles wieder zu Erde wird. Ebenfalls entdeckt habe ich das Atelier der Darmstädter Malerin Ulrike Rothamel, die an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach studiert hat, und die ich einmal besuchen möchte.

Als ich Hunger verspürte, besuchte ich die Bruno’s Pizzeria, und stärkte mich mit einer kalabresischen Variante, die mit scharfer Salami, Rucola und Büffelmozzarella belegt war, wirklich sehr lecker.

Den Nachmittag verbrachte ich dann schreibend an einem langen Holztisch im Boulderhaus, einer Kletterhalle mit angeschlossenem Bistro. Hier fügen sich sechziger Jahre Möbel bestens in die luftige Industriehalle und es sind immer genügend Leute um einen herum, um sich beim Schreiben nicht einsam zu fühlen. Allerdings kam ich mir beim Sitzen grässlich untrainiert vor gegen die jungen Kletterer, die sich hier an den Wänden probierten. Ob ich das auch mal versuchen sollte? Vielleicht beim nächsten Mal, wenn das Printprodukt ein paar Fortschritte gemacht hat. Wenn’s nicht klappt kann ich dort immer noch Yoga machen.

Vor einem Jahr stand ein Relaunch meiner Webseite an, um ihr Äußeres einerseits zeitgemäß und responsive für alle mobilen Endgeräte zu gestalten. Andererseits habe ich mein Angebot über die letzten Jahre wesentlich erweitert, biete für digitalen Content gute SEO-relevante Texte sowie WordPress-Kenntnisse an, im Print-Bereich sind neue Bücher, Broschüren und Postkarten hinzugekommen. Lesetermine und Touren gibt es auch bald wieder, denn ein neuer Band mit Erzählungen #porträtseinerfrau ist im Oktober 2020 im Salsa Verlag erschienen.

Vielleicht habt Ihr Euch gewundert, dass Ihr länger keinen neuen Blogbeitrag von mir gelesen habt, aber der Umzug vom Google Dienst Blogger zu einem selbst gehosteten WordPress-Blog, also direkt auf meine Webseite war ziemlich aufwändig. Um so mehr freue ich mich, dass es jetzt wieder losgehen kann mit coolen Themen am Rande von Business und Büro, die sich befassen mit dem Flanieren durch die Kaffeehäuser der Welt, die mir oft als inspirierende Schreiborte dienen, mit Kunst, Literatur und Musik, die unser Leben erst lebenswert machen. Das stellen wir gerade in der Krise mehr denn je fest. Guter Content für Marketing und Markenbildung profitieren übrigens sehr von einem erweiterten Horizont, vom vielen Lesen und Schreiben.

Zunächst habe ich noch mit meinem Grafik-Kollegen von designbasis versucht, eine Anpassung an die deutsche DSGVO von Google zu bekommen, doch da gab es keine ausreichende Hilfe. Da ich keine Abmahnungen riskieren wollte, musste mein Blog auf meine Webseite umziehen. Das nützt mir letztendlich auch viel mehr, weil dann alles, was ich dort schreibe, den Inhalt auf meiner Webseite erweitert und verbessert, was ja schließlich für das Ranking in den einschlägigen Suchmaschinen das Beste ist. Außerdem habe ich auf WordPress mehr Gestaltungsmöglichkeiten.

Eine eigene Domain hatte ich ja schon und meine Webseite basiert auf WordPress, also konnte es losgehen mit dem Importieren meiner bisherigen Beiträge. Das geht zum Beispiel mit dem Plugin blogger importer extended ist aber trotzdem mit vielen Arbeitsschritten verbunden und langwierig. Schweren Herzens entschloss ich mich dazu, nur einen Teil der Beiträge mit umzuziehen. Das hat aber auch Vorteile, denn so kann ich mich auch von etwas Ballast, der nicht mehr aktuell ist, befreien. Mein Grafikdesigner Carsten Heil und ich verbrachten einen langen Nachmittag damit, meine Beiträge und auch meine Rubriken zu sichten. Natürlich in einem kleinen Kaffeehaus, dem Apéro in Darmstadt, das übrigens ein wunderschöner Ort zum Frühstücken, aber auch für einen Aperitif ist (zum Glück machten wir das noch vor dem Lockdown). Ohne Skrupel kann man dort mit Espresso, Sprizz und einem guten Buch einen Regentag an sich vorübergleiten lassen. Wir taten es mit Käsekuchen, den Rest besorgte mein Designer notgedrungen im Home Office.

Doch der Aufwand hat sich gelohnt, denn mein Blog kommt nun in einem frischen, neuen Design und mit wohlgeordneten Rubriken als integrierter Teil meiner Webseite daher. Und ich kann selbst etwas für mein Ranking tun, indem ich meine guten Texte nicht nur für das Wohl meiner Kunden einsetze, sondern auch für meine eigene Marke Walter Wortware. Viele, mit denen ich spreche, sagen immer noch: Ich schreibe für Menschen und nicht für Google oder sowas in der Art. Das ist allerdings ein Trugschluss, denn für Google und Menschen zu schreiben ist kein Widerspruch. Googles Ziel ist es nicht, tausende SEO-Nischenseiten auf den ersten Plätzen zu haben, sondern vielmehr Nutzern die bestmöglichen Inhalte anzuzeigen und die bestmögliche Nutzererfahrung zu bieten. Dasselbe Keyword in jedem zweiten Satz zu verwenden, gehört mit Sicherheit nicht dazu. Backlinks, großartiger Content und eine tolle Nutzererfahrung sorgen dafür, dass Dein Unternehmen in den Suchergebnissen auftaucht.

Ansonsten bin ich sehr froh, dass es in unserem Leben außer Online auch wieder mehr Offline gibt und ganz dankbar und ehrfürchtig wieder schreibend in Cafés anzutreffen.

Das Gastland Georgien hat mich in diesem Jahr literarisch voll erwischt. Ich kannte im Grunde nur die unmögliche und hochaktuelle Liebesgeschichte „Ali und Nino“ von Kurban Said (alias Lev Nussimbaum) aus dem Jahr 1937, in der sich ein Muslim in eine Christin verliebt. Ein sehr besonderes Buch, das mir immer im Gedächtnis geblieben ist und Georgien geheimnisvoll und bunt mitschwingen ließ.

In diesem Jahr bin ich auf ein anderes sehr besonderes Buch aus Georgien gestoßen: „Einsame Schwestern“ von Ekaterina Togonidze. Ich kann tatsächlich sagen, dass ich eine solch außergewöhnliche Geschichte noch nie gelesen habe. Sie macht stellenweise atemlos, dabei kommt sie in schlichtem Deutsch daher, wenn auch in unterschiedlichen Tonarten: Denn wir lernen die beiden unterschiedlichen und doch sehr verbundenen Protagonistinnen des Romans durch ihre gegensätzlichen Tagebuchaufzeichnungen kennen – und erfahren langsam, Eintrag für Eintrag, mehr von ihnen und ihrem Schicksal.

Wir erfahren aber nicht nur bedrückende Umstände ihrer Lebenssituation in der Abgeschiedenheit des Hauses der Großmutter, wo sie leben wie in einem Vakuum. Sondern wir lernen sie als zwei unterschiedliche Teenager kennen, die neugierig auf die Welt und die Liebe sind. Beide schreiben unabhängig voneinander und zeigen sich die Tagebücher nicht. Schreiben ist das einzige, neben dem Denken, was sie unabhängig voneinander tun können – und schreiben bedeutet Freiheit. Zumindestens für Diana, die sich beim Schreiben lebendiger fühlt und bedeutender. Hier kann sie „ich“ sagen, wobei sie sonst nur im „wir“ lebt, denn die beiden sind siamesische Zwillinge: „Von der Taille abwärts teilen sich Lina und ich den Körper.“

Beide Mädchen beginnen im Tagebuch ihr eintöniges Leben in bescheidenen Verhältnissen bei der Großmutter zu reflektieren. Dort werden sie seit ihrer Geburt vor der Außenwelt versteckt. Dort lernen sie von der Großmutter, aus Magazinen, die Zaza vorbeibringt und aus dem Fernsehen. Diana findet ein Notizbuch im Schrank der Großmutter und beginnt zu schreiben. Ihre Notizen sind „autobiographischer“, enger an der Wirklichkeit und weniger literarisch. Von ihr erfahren wir sozusagen die Fakten. Lina möchte es ihr nachtun und lässt sie nach Papier suchen. Sie findet auch ein benutztes Notizbuch, in dem noch Seiten frei sind. Lina wollte schon immer Gedichte schreiben und nun fängt sie damit an. Sie ist die emotionsbetonte und fantasiebegabte.

Beide erinnern sich an ihre schöne Mutter, die bei der Geburt verstarb und fragen sich, warum ihr Vater sich nicht kümmert. Als die Großmutter stirbt, sind sie plötzlich der Realität ausgeliefert und werden von einem Hochwasser buchstäblich in die Stadt geschwemmt. Sie kommen in ein Lazarett und schließlich in einen Zirkus, wo sie zur Schau werden.

Der Vater ist die dritte Perspektive aus der erzählt wird, aber er erfährt erst durch Briefe aus dem Leichenschauhaus von der Existenz seiner Töchter.

Ekaterina Togonidze hat ein mutiges Debüt gewagt und körperliche Andersartigkeit bzw. Behinderung, die nicht nur in Georgien ein Tabuthema ist, in die literarische Diskussion gebracht. Der Septime Verlag hat sich mit der Veröffentlichung dieses Romans ebenfalls mutig in ein unbeschriebenes Terrain begeben. Eine seltene Lesereise in eine andere Welt jenseits der Normalität. Verstörend und schön zugleich.

Diese Infektion fing mit den Vorbereitungen für die 3. Offenbacher Lyriknacht an. Für den Frankfurter Größenwahn Verlag übernahm ich mit zwei Kolleginnen Katharina Eismann und Tamara Labas Teile der Öffentlichkeitsarbeit, die Moderation und Organisation der Veranstaltung im Raum des Kunstvereins Offenbach.

Chinkali, die leckeren Teigtaschen, eine Art Nationalgericht, waren mir auf meiner Reise in die Ukraine im September schon begegnet. Deshalb habe ich mich besonders gefreut, als ich in Frankfurt das georgische Restaurant Old Tiflis entdeckte und auch einen Weinhandel im Internet. Dort holten wir uns die notwendige sinnliche Inspiration zum Thema und erfuhren dabei, dass in Georgien sogar das Dichten nicht ohne das Kochen geht. Das sagt schon der Erzählungsband „Wahrsagen durch Marmelade“ von Diana Anfimiadi, der im Wieser-Verlag erschienen ist.

Diana Anfimiadi war auch Gast auf unserer Lyriknacht, neben Eka Kevanishvili, Zaza Bibilashvili, Kato Javakhishvili und Tea Topuria. Neben diesen georgischen Autoren, die allesamt sehr engagiert schreiben und verschiedentlich für ihre Arbeiten ausgezeichnet wurden, waren auch noch vier deutsche Dichter und eben wir vom Größenwahn Verlag unter den Vortragenden. Zu unserer großen Erleichterung und dem Vergnügen der Zuhörerin war die Übersetzerin des Lyrikbands „Gorgiens Herz ist mit Poesie infiziert“ (Größenwahn Verlag 2018) Nana Tchigladze ebenfalls anwesend. Herausgeber ist der bekannte Dichter, Übersetzer und Orientalist Giorgi Lobzhanidze.

Den gesamten September und Oktober stimmten wir uns außerdem mit Gedichten und einem Speed Dating im Offenbacher Buchladen am Markt auf Georgien ein. Je zwei der Gedichte der georgischen Dichter des genannten Lyrikbandes rezitierten wir bei der Lyriknacht. Und das sind sehr eindrucksvolle Poeme aus einem Land, das dramatischen politischen Veränderungen ausgesetzt war und ist. Es geht darin aber nicht nur um Politik. Vielmehr geht es um den Alltag, um Facebook und um Liebe, um Dichterinnen, die ihren Haushalt bewältigen müssen, um Herz und Blut und alles, was die Menschen bewegt. Es war eine Ehre, diese Gedichte in ihrer deutschen Fassung zu lesen und es war ein Virus, denn alle bekamen wir kurz vor der Veranstaltung noch eine Erkältung. Aber nicht nur das: Ich und meine beiden Kolleginnen bekamen auch große Lust auf Georgiens zeitgenössische Literatur und auf dieses faszinierende Land. „Tiflis on my mind“ heißt eine Ausstellung im Klingspor Museum und ich kann mich dem nur anschließen.

Seit dieser Buchmesse will ich noch ganz viel lesen von georgischen Autoren und ja, ich will nach Tifls und diese Stadt sehen. Und so werden in den nächsten Wochen noch einige Buchbesprechungen von Lyrik, Erzählungen und Romanen kommen. Ich selbst bin auch schon inspiriert worden und habe ein Gedicht geschrieben, in dem die Chinkali, die leckeren Teigtaschen eine Rolle spielen. Das plane ich aber in einen Lyrikband ein, an dem ich immer mal weiter dichte, wenn mich etwas infiziert.

Der erste Herbststurm mit viel Wind und Regen erwischte mich, als ich den Eingang des Convention Center der Messe Offenbach suchte – der liegt nämlich etwas versteckt zwischen Capitol und Messe im Hinterhof. Als ich die Tür erreichte, war ich frisch geduscht – zum zweiten Mal an diesem Tag. Ich trage selten Funktionskleidung und schon gar nicht, wenn ich zu einem Konzert oder einem Live-Hörspiel gehe – und das war der Anlass: Das Live-Hörspiel EX nach dem Roman von David Ambrose und der Komposition von Patrik Bishay. Alle Damen, die es erwischt hatte, fanden sich kurz nach der Ankunft in der Toilette wieder, um sich notdürftig mit Papierhandtüchern ein wenig zu trocknen. Den Wet-Look, den mein Haar aufwies, werde ich so nie mehr hinbekommen. Mein leichter Wollmantel war so nass geworden, dass er ausgebreitet auf den Boden hingelegt werden musste, denn eine Garderobe mit Kleiderbügeln etc. gab es leider nicht.

Überhaupt hätte man diesem musikalischen Wortereignis einen etwas festlicheren Rahmen gewünscht, denn das Convention Center der Messe ist doch sehr nüchtern, zudem stand noch der Laufsteg von der ILM und die Beleuchtung war nicht optimal. Nun gut, alle setzten sich und warteten noch ein Weilchen, bis weitere vom Unwetter überraschte Besucher eingetroffen waren. Meine Füße waren sehr nass, mein Kleid in unteren Teilen auch – und wenn ich nicht gewusst hätte, dass mich bei Patrick Bishay immer ein spannender und toll komponierter Musikgenuss erwartete, weiß ich nicht, ob ich geblieben wäre. Aber ich blieb und sollte es nicht bereuen. Ralph Philipp Ziegler, der mit dem Live-Hörspiel eine neue Reihe startet, hatte es vorausgesagt.

Denn schon als der britische Autor David Ambrose die Fragen von Patrik Bishay beantwortete – und klar wurde, dass er neben seinen spannenden Thrillern, die ich leider nicht kenne, auch noch sehr bekannte Drehbücher und Teile von Star Trek geschrieben hat, versprach der Abend spannend zu werden. Patrik Bishay erzählte, dass er den Roman zum ersten Mal als Jugendlicher in Paris gelesen hätte – und deshalb von der Stadt damals nichts gesehen hätte. Das Buch hat ihn seither begleitet und er wollte mit dem Stoff immer etwas machen, vielleicht eine Oper, aber er konnte damals keinen Kontakt zu David Ambrose finden. Um so schöner, dass der Autor an dem Abend der Uraufführung in Offenbach sein konnte.

Diese war dann tatsächlich vom ersten Satz an der allesamt hervorragenden SprecherInnen sehr spannend – man kann sagen, die Zuhörer hielten den Atem an, um nur alles mitzubekommen. Zusätzlich zu Musikern des Capitol Symphonie Orchesters und den sieben Sprechern, untermalte eine interessante Filmcollage, die einzelne Personen und Orte oder Gegenstände der Handlung einspielte, das Geschehen. Dabei wurde der sogenannte Bleach-Bypass-Effekt verwendet, bei dem der Vorgang des Bleichens bei der Farbfilmentwicklung teilweise oder komplett ausgelassen wird. Wer den Kinohit „Seven“ damals gesehen hat, weiß um die Wirkung. Da werden symbolhaft Namen und Dinge eingeblendet, in einer Art Superacht-Manier, die durch leichtes Verwackeln und andere Effekte, das Unheimliche der Handlung, die sich mit Phänomenen des Übernatürlichen befasst, unterstreichen.

Die Geschichte geht so: An der Manhattan University plant eine Gruppe um den Psychologen Sam Towne ein spektakuläres Experiment. Um zu beweisen, dass es sich bei Geistererscheinungen nicht um jenseitige Wesen, sondern um Halluzinationen der sie erlebenden Menschen handelt, bereitet das Team die Erschaffung eines Geists vor. Journalistin Joanna Cross hat zuvor bereits einen Kreis von Spiritisten aufgedeckt und wird deshalb von Ellie Ray mit einem fürchterlichen Fluch belegt. Damit beginnt Joannas Misere: Das Experiment gelingt in der Tat, doch sind die Auswirkungen für die Teilnehmergruppe alles andere als erfreulich, denn der erschaffene Geist „Adam Wyatt“ zeigt so gar keine Bereitschaft, das Experiment enden zu lassen. Viel lieber möchte er, dass seine Erschaffer die   Realität verlassen. Realität und Illusion, Materie und Geist beginnen sich zu durchdringen.

Den Hörspieltext hat Patrik Bishay in zweijähriger Arbeit von der ersten bis zur letzten Minute durchkomponiert, so dass eine sehr dichte Atmosphäre entsteht und die Zuhörer das Gefühl haben, Teil der Handlung zu werden. Man wird buchstäblich gepackt von den Ereignissen und fiebert mit Joanna und Sam, die ein Liebespaar werden, dem Ende entgegen. Auch die Pause konnte diese Spannung aus Stimmen, Instrumenten und Bildern kaum unterbrechen. Besonders viel hatten die Streicher zu tun, die immer wieder den Spannungsbogen musikalisch aufbauten. Aber auch Flöte, Oboe und Hörner sowie das Cello waren unermüdlich im Einsatz und verschafften den Zuhörern Gänsehaut.

Die Inszenierung des packenden Mystery-Thrillers ist der Beginn der neuen Hörspiel-Reihe des Amts für Kultur- und Sportmanagement der Stadt Offenbach. Das nächste Spektakel dieser Art soll in der Alten Schlosserei stattfinden. Wer eine schaurig-schöne Ahnung von Patrik Bishays Musik bekommen möchte, geht am besten in das Konzert HalloWeeihnacht der Capitol Classic Lounge. Da wird in verschiedenen Musikstücken die Schattenseite des Festes nährgebracht und Patrik Bishay glänzt mit einer Vertonung von Charles Dickens‘ Weihnachtsgeschichte. Die Rhein-Main-Vokalisten untermalen mit dem Orchester stimmlich. Dirigieren wird Steven Lloyd Gonzales.

Ich sitze in einem hässlich regenbogenbunten Haus auf der Frankfurter Straße, in dem sich das wilde Herz Offenbachs befindet, das Caffè Cuore. Gitarren hängen von der Decke und ein Sammelsurium von Stühlen und Tischen aller Gattungen umrahmt mich. Franco ist hier der Innenarchitekt und er folgt keinem Trend, sondern seiner Intuition – deshalb fühlen sich Menschen aller Nationen hier wohl. Der schöne Daniel aus Kuba mit den langgliedrigen Fingern an der Gitarre und Enzo mit der Rockerstimme oder Diana, die kleine schwarzhaarige Göttin aus Sizilien.

Aber, zur Sache: Alle reden von „responsive“ und ich habe in der letztenZeit ein paar Artikel zu dem Thema verfasst. Das hat mir deutlich vor Augen geführt: Responsive Webdesign ist wichtig für alle, die eine eigene Website betreiben. Denn das bedeutet, dass diese auf allen Endgeräten gut lesbar angezeigt werden und man sie vom Smartphone oder Tablett auch einfach und bequem bedienen kann.

Ich weiß ja, dass meine eigene Homepage nur sehr bedingt responsive ist und habe deshalb mit einem Google-Tool (Search Console) mal die Probe aufs Exempel gemacht – es war schlimmer als ich dachte:

Unbarmherzig stand da: Die folgenden 3 Probleme sind zu beheben

  • Anklickbare Elemente liegen zu dicht beieinander
  • Darstellungsbereich nicht festgelegt
  • Text ist zu klein zum Lesen

Letzteren Punkt hatte ich selbst schon bemerkt. Laut Branchenverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche Bitkom nutzen in diesem Jahr 8 von 10 Deutschen ein Smartphone (54 Millionen Menschen). Mal ganz abgesehen von den anderen Endgeräten. Das bedeutet, dass wir schon heute die meisten Webseiten mobil von unterwegs aus aufrufen. Und ich sehe es ja an mir selbst: Ich sitze im Café oder zu Hause im Höfchen und schon wird mal schnell eine Webseite gegoogelt, zum Beispiel von der Offenbach Post oder von der Käserei L’Abbate oder vom Frankfurter Größenwahn Verlag – ja und da kann man angenehm lesen und anklicken, was einen interessiert. Mal ehrlich, wer geht dafür immer noch an den stationären Rechner – oder wer hat überhaupt noch einen?

An unserer Nutzung wird also deutlich, dass Responsive Webdesign nicht irgendein Trend ist. Studien unterschiedlicher Marktforscher belegen, dass immer mehr Tablets und Smartphones gekauft werden.

Gleichzeitig wird auch der Kampf um die ersten Plätze bei Google immer härter. Webseiten, die täglich mit neuen Inhalten bestückt werden – und häufig aufgerufen werden, erscheinen weiter oben im Ranking. Dazu zählen beispielsweise die Newsseiten der Zeitungen.

Das bedeutet, dass Responsive Webdesign auch Einfluss auf die Suchmaschinenoptimierung hat – genauso wie aussagekräftige Inhalte, die gesucht und gelesen werden, weil sie einen Mehrwert bieten.

Wenigstens mein Blog ist schon responsive – weil extra und WordPress.

Neulich im Mai hatte ich so einen Tag in Frankfurt mit vielen Terminen und zwischendurch einer Stunde Atempause. Die verbrachte ich im Plank, weil ich zwischen Bockenheim und Sachsenhausen hin- und hermusste. Das Plank Münchener/Ecke Elbestraße im Bahnhofsviertel gelegen, ist tagsüber nämlich ein sehr nettes Café. Es bietet Ruhe, W-LAN und die besten portugiesischen Törtchen, die man sich vorstellen kann.

Eigentlich hatte ich andere Themen zu bewältigen, aber ich hatte auch eine Entscheidung zu treffen. Nämlich, ob ich mit meinem Büro umziehen sollte, in ein anderes Domizil. Denn mein Untermieter hatte mir gekündigt und es tat sich an anderer Stelle eine tolle Möglichkeit auf. In einem hübschen hellen Ziegelsteinbau, ruhig gelegen und doch voll im Leben, war eine Etage frei geworden. In der Eisfabrik – die einige vielleicht von den Kunstansichten her kennen, von hochkarätigen Fotoausstellungen rund um René Spalek. Die Alternative wäre gewesen, mich zuhause mit meinem Schreibtisch einzurichten. Aber irgendwie wollte er da nicht so recht reinpassen, weder gedanklich noch nach Maß.

Ich setzte mich also bei verheißungsvollem Blau ins Plank und schrieb Vor- und Nachteile auf. Dann telefonierte ich mit einer wichtigen mir zugetanen Person. Die sagte einen entscheidenden Satz: Ich glaube, dass dieser Umzug Dich größer macht, in Deiner Kreativität. Damit war doch eigentlich alles gesagt. Der Schreibtisch in der Wohnung würde meine Kreativität bestimmt nicht größer machen.

Außerdem war es mein erster Impuls, als ich die Anzeige auf Facebook gelesen hatte: Dort mein Glück zu versuchen, denn so etwas hatte mir immer vorgeschwebt. Inzwischen ist der Vertrag unterschrieben und erste Messungen sind erfolgt. Ab August gibt es frische Worte aus der Eisfabrik.

Und was für ein wunderbarer Nebenumstand: In der Eisfabrik wurde Speiseeis fabriziert. Italienisches. Von der Firma Rudella. Romollo Delaidotti war einer der ersten italienischen Einwanderer in Offenbach. Im Café seines Bruders, dem Delaidotti, war ich als Kind noch gewesen und dort wurde meiner Tante ein wertvoller Kamelhaarmantel vertauscht – aber das ist eine andere Geschichte.

Aber wie bist du denn dann auf Wien gekommen?, fragen sie weiter. Tja, mein Buch „Eine ungeplante Reise nach Wien“ ist ein Roman – und da ist vieles möglich. Viele Leser scheinen sich zu fragen, wie Fiktion entsteht. Die macht der Kopf beim Schreiben.

Wie die meisten Autoren habe in meinem Roman autobiografische Details verwendet, denn die kennt man besonders gut, kann daraus anschauliche Bilder entstehen lassen. So gibt es Erinnerungssplitter, die in meinen Schreibfluss kamen, wie beispielsweise das Aussehen meiner Großmutter und ihre Heirat mit einem Pelzfabrikanten, denn dies waren die Mitglieder der Familie Erler und deren Partner in Leipzig. Auch vom Lebenswandel meiner Großmutter, die eine kleine Femme Fatale war, ist einiges eingeflossen – und zwar, weil sie meine Fantasie schon in Kindheitszeiten angeregt und mich inspiriert hat. Meine Großmutter hatte das Zeug zur Romanheldin – das war mir schon früh klar, wenn ich in ihrem Schlafzimmer an den Parfümfläschchen schnupperte (allesamt bekannte Düfte, wie ich erst später lernte) oder ihren Kleiderschrank durchkämmte und mir den Ozelot-Hut aufsetzte (leider weiß ich nicht, wo er geblieben ist). Und sie war 1912 geboren, kurz vor dem Ersten Weltkrieg.

In der Zwischenkriegszeit und zu Beginn des Zweiten Weltkriegs war sie eine junge Frau mit allen Widersprüchen der Zeit in sich drin. Sie heiratete mit 26 eben jenen Pelzhändler – und erzählte mir später, wie sie sich ihn „geangelt“ hatte. Das war nicht der herkömmliche Ton einer Großmutter, soviel war klar – sie war eine illustre und sehr selbständige Frau, die ich bewunderte. Vielleicht hat sie mit ihren Geschichten sogar meinen Erzähltrieb geweckt.

Ihr Mann, mein Großvater, den ich nie kennengelernt habe, war eine Art Aussteiger und wollte dem Pelzhandel abschwören. Dazu gingen die beiden ins Kleinwalsertal nach Hirschegg, wo sich die Fuchsfarm der Firma befand. Ein Glück für meine Großmutter, die dort oben auf dem Berg wenig mitbekam von Kriegswirren und Gräueltaten.

Meine Mutter allerdings wurde in Österreich geboren – und so kam irgendwann Wien ins Spiel, weil das ihre Lieblingsstadt war.

Auch als sie schon in Offenbach am Main wohnte und mit meinem Vater verheiratet war, konnte sie am Telefon, wenn Verwandte anriefen, leicht in den Walser-Dialekt wechseln. Diese süddeutsche Färbung des Deutschen war mir seit Kindertagen vertraut. Meine Mutter hatte also eine Bindung zu Österreich und meine beiden Eltern machten es sich zur Gewohnheit, einmal im Jahr nach Wien zu reisen. So bekam ich von dort allerhand mit – besonders auch die Musik, die mein Vater auf CDs mitbrachte. Ich selbst bin erst relativ spät über die Recherchen zu meiner Magisterarbeit, die sich mit den Autobiografien deutscher Exilschriftstellerinnen befasste zu Recherchen immer wieder nach Wien gekommen.

Aber Wien hat es mir natürlich gleich angetan, mit seinen Kaffeehäusern und seiner Wertschätzung der Musik und überhaupt der Künste. Aber auch seine Ambivalenz: Die prächtigen Straßen und die kleinen vernachlässigten Gassen. Die Stadt tanzt überschwänglich Wiener Walzer und melancholisch die langsame Version davon. Und schließlich, es ist eine Stadt voller Geschichte und Geschichten – der Stadt Leipzig gar nicht so unähnlich fand ich, als ich Anfang der Neunziger Jahre zum ersten Mal in der Nikolaistraße war und auch das Haus meiner Großmutter zum ersten Mal sah.

Viele dieser Aspekte sind in meinen Roman eingeflossen und haben sich zu einer ganz eignen Geschichte entwickelt.

Ich habe mich sehr gefreut, das erste Mal in Leipzig zu lesen, auf der Messe, am Stand des Größenwahn Verlags und abends im schönen Café Puschkin, wo echt die Hütte voll war, so das keiner mehr rein und raus konnte. Besonders bedanken möchte ich mich auch bei meinen Mitleserinnen vom Konkursbuchverlag. Die Texte waren alle super! Und super vorgetragen!

Das alles hat große Lust gemacht, weiterzuschreiben an der Wiener Geschichte von Judith und Leo…Ich bin gespannt, was noch passiert.

Als ich Mitte Februar in Wien war, bin ich auch nochmal über den Naschmarkt geschlendert. Die goldene Blütenkuppel der Seccession und der Markt selber sind bei schönem Wetter einfach ein Muss. Ich war zunächst ein wenig verwirrt, weil ich den Würstelstand der Rosi vom Naschmarkt nicht gefunden habe – und auch ein wenig betrübt – weil er vielleicht nicht mehr „In“ ist. Aber auf so Allerweltsgerichte wie Gnocchi mit Gorgonzola oder Karottensüppchen mit Ingwer hatte ich keine Lust. Ich wollte meine fettigen Käsekrainer, die bei Kälte ein durchaus nahrhaftes Mittagessen sein können.

Wenn es schon die Käsekrainer nirgends gab, wollte ich wenigstens das sonnigste Plätzchen und so setzte ich mich an einen Zweiertisch, bestellte mir einen Weißgespritzten und Börekröllchen – sind halt vegetarische Käsekrainer, dachte ich mir. An meinem Wein nippend lauschte ich ein paar Bobos, die am Tisch neben mir Platz genommen hatten und durch ihre großen Sonnenbrillen blinzelten. Sie bekamen ebenfalls große Gläser mit Apérol Spritz und weideten sich am Anblick des trendigen Getränks, zücken ihre iPhones und wollten gern posten, damit ihre Freunde neidisch auf ihr Leben blicken sollten. Aber sie waren nur in der Mittagspause – und der Chef nicht. Das wäre nicht gut für die Karriere gewesen – also lieber das Selfie verkneifen. Schad‘ drum!

Ich aß derweilen genüsslich meine Börekröllchen und bewunderte eine hübsche arabisch aussehende Kellnerin mit Lockenhaar und Wiener Schnauze oder sagt man hier Schnaberl? Wenig später stand ich auf und ging meiner Wege Richtung Schleifmühlgasse, die eine meiner Lieblingsgassen ist, wegen der schönen Lädchen. Im Vorbeigehen kaufte ich bei einem traditionellen Gewürzstand eine wunderbare Gewürzmischung mit Namen „Marrakech“ und bog bald darauf in die Schleifmühlgasse ein. Wie schon beim letzten Mal lockte mich die schöne Auslage des Konzeptlädchens aus Küchenaccesoirs und Büchern. Ich ging hinein und kaufte ein wunderschönes kleines Büchlein über Rote Rüben aus dem Mandelbaum Verlag, den ich im letzten Jahr auf der Buchmesse kennengelernt hatte. Als ich dem Verleger mein Buch gezeigt hatte, rief er aus: Und genau in dem Haus auf ihrem Cover sitzen wir! Mit der einen Betreiberin des Ladens Mimi Mandl in der Schleifmühlgasse sprach ich und schlug ihr vor, bei ihr (im Planet Buch) meine nächste Lesung aus meinem Roman „Eine ungeplante Reise nach Wien“ zu veranstalten. Ein schöner Sessel steht dort schon bereit.

Weiter lenkte ich meine Schritte an einem wirklich tollen Vintage-Laden vorbei. Mein Traum ist es, mir bei Flo Vintage einmal ein Originalkleid aus den Zwanzigern zu kaufen. Das wird wahrscheinlich eine Anschaffung sein. Ich ging diesmal nicht in den Laden hinein, weil zu gefährlich. Das letzte Mal habe ich dort ohne feste Absichten eine sehr originelle Halskette gekauft, die ich bei der Premierenlesung im Wiener Bücherschmaus ausführte.

Nicht vorbeigehen konnte ich an einem ganz besonderen Café, mit Namen Vollpension. Der Name ist Programm, denn es wird betrieben von Damen und Herren im Ruhestand. Sie backen dort erstklassige Mehlspeisen nach altem Rezept in innovativen Öfen, die neonfarben von der Decke hängen – und verdienen sich so ein Zubrot. Die Kuchen und Torten kommen ganz frisch auf die Tische, die allesamt vom Flohmarkt zu stammen scheinen. Insgesamt ist das Mobiliar völlig bunt zusammengewürfelt – und vom Gobelin mit röhrendem Hirschen bis zum Nierentisch findet sich hier alles, was sonst niemand mehr haben will. In der Mischung ist es jedoch grandios gemütlich. Es herrscht Selbstservice, aber dafür gibt’s auch freies W-LAN, weshalb die Vollpension auch sehr schön als Schreib-Café dienen kann. Ich aß eine frischen Apfelstrudel und zog dann weiter meines Weges.

Noch ein wenig weiter wollte ich in dieses Viertel vordringen, Richtung Margaretenstraße und Operngasse, die ich bei meinem letzten Besuch nur mit einem Blick gestreift hatte, die mir aber beide interessant schienen. Die Sonne spielte in Glasscheiben und der blaue Himmel krönte diese Ecke, die eher zu den unscheinbaren Ecken Wiens zählt. Die typische Jahrhundertwende-Bebauung ist hier durchmischt mit Häusern aus den Sechzigern und viele der kleinen Geschäfte wirken von den Auslagen her ein wenig chaotisch oder, wenn man mit liebendem Auge schaut, kreativ. Ein ebenfalls originelles Kaffeehaus, mit dem Namen „Point of Sale“ lenkte meine Schritte nach links. Leider war mein Kaffeebedarf erstmal gedeckt, also weiter die Operngasse entlang. Eine wirklich originelle Auslage zog mich nach kurzer Zeit wieder in ihren Bann: Das Schaufenster war voller Knäule, die sich beim näheren Hinsehen als stoffummantelte bunte Kabel herausstellten. Eigentlich sah ich einen Wust von bunten Kabeln neben kleinen Lampen mit stilisierten Chinesen darauf, wohl Restbestände aus den Fünfzigern und Lampenschirme jeder Größe. Ich zögerte ein wenig, betätigte dann aber entschlossen die Klinke und trat ein. Der Ladenbesitzer fragte freundlich nach meinem Begehr und erklärte mir dann, dass sie die Kabelummantelung selbst machen, ebenso wie die Lampenschirme. Natürlich musste ich dort 2 Meter wunderbar blaugrünes Kabel kaufen. Zwar gibt es noch keine Lampe dafür, aber die kann ja noch kommen.

Nur wenige Meter weiter musste ich wieder meinen Schritt bremsen, vor einer ganz entzückenden Auslage: Miniaturtörtchen in Eisbechern mit Nüssen darauf, Orangeat oder Rosinen. Ein Schild klärte mich auf, dass es sich hier um einen französischen Teesalon handelte, mit Namen „Süssi“ – vielleicht in Anspielung and die ehemalige Kaiserin. Auch hier musste ich das Innere bestaunen und es war wirklich ganz entzückend: Ein rotplüschiges Interieur, fast in Puppenhausgröße – oder jedenfalls für kleine, zarte Menschen gemacht, kleine Räume, kleine Sesselchen, eine Miniwendeltreppe nach oben. Ich kam aus dem Staunen kaum raus und kaufte dem verdutzten Betreiber zum Trost ein kleines Päckchen Tee ab. Damit endete mein Gang durch das neuerdings hippe Freihausviertel und ich wanderte durch die Faulmanngasse zurück zum Naschmarkt.

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