Gastbeitrag von Gisken Mittwollen, derzeit Praktikantin bei Walter Wortware
Zwei der bekanntesten Offenbacher Bürger prägen bis heute den Ruf der Stadt als Wiege der Schrift- und Druckkunst. Alois Senefelder bereitete in seiner Arbeit den Weg für Dr. Karl Klingspor. Wenn er nicht 1796 die Lithografie erfunden hätte, wäre Dr. Karl Klingspor nie auf die Idee gekommen, sich im Druckgewerbe selbständig zu machen. Dabei erfand Alois Senefelder den Flachdruck aus ganz eigennützigen Gründen. Auf die Kenntnisse Senefelders konnte Klingspor später aufbauen. Zusammen mit seinem Bruder Wilhelm brachte er die von seinem Vater erworbene Rudhardsche Gießerei auf Vordermann, und stellte den größten Schriftgenius seiner Zeit ein. Karl Klingspor erwarb mit seiner Schriftgießerei viele Preise und machte die Stadt Offenbach in aller Welt bekannt.
Alois Senefelder wurde am sechsten November 1771 als Sohn eines Schauspielers in Prag geboren. Obwohl er in seiner Schulzeit besonders gute Ergebnisse in den Fächern Physik, Chemie und Mechanik erzielte, folgte er zunächst seinem Herzensberufswunsch und wurde Schauspieler wie sein Vater. Dieser gab ihm den Rat, zuvor zur eigenen Absicherung noch einige andere Fächer zu studieren. Dem damals noch jungen Alois leuchtete die Begründung seines Vaters ein und er schrieb sich für die Fächer Rechts- und Kameral- ( Finanz) Wissenschaften ein. In seiner freien Zeit, schrieb und feilte er an Drehbüchern für Theaterstücke. Als dann sein Vater verstarb, beschloss er im Schock nun doch seinen langgehegten Wunsch zu verwirklichen. Dies war die letzte Ehre, die er seinem Vater erweisen wollte. Als er zwei Jahre lang mit seiner Schauspielgruppe umhergezogen war, sein Glück und Geld aber dennoch nicht gefunden hatte, gab er diese Kunst auf und versuchte sich als Theaterschriftsteller. In diesem Beruf hatte er bereits Erfahrung. Dennoch war es schwer, Verleger zu finden und das Drucken der Drehbücher war sehr teuer. Aus diesem Grunde beschloss er seine Werke selber zu veröffentlichen und zu vervielfältigen.
Doch bald befand er sich in einer materiellen Notsituation und suchte einen Weg, sein Material auf eine günstige Art und Weise zu drucken. Er experimentierte mit vielen verschiedenen Möglichkeiten. Nach einer Serie verzweifelter Versuche, nutze er Talg, schwarze Tinte aus Wachs, Kienruß und Regenwasser auf einer Solnhofener Kalkschieferplatte, welche man in München zum Belegen der Hausflure nutzte. Rein zufällig machte er die Entdeckung, dass man die Fläche der Steinplatte, die nicht mit einer Schutzschicht aus Wachstinte bedeckt war, mit Salpetersäure wegätzen kann. Die hochgeätzte Schrift ließ sich mit einem Buchdruckerballen schwarz färben und auf Papier abdrucken.
Senefelder nannte die von ihm erfundene Druckart Lithographie (griechisch: „Lith“ = Stein). Er beschrieb sie als geeignete Drucktechnik zur Herstellung von Schriften, Musiknoten, Landkarten, Tabellen, Zirkularien (Rundschreiben) sowie der Wiedergabe von schwarzweißen und farbigen Bildern, Holzschnitten, Handzeichnungen und Kupferstichen.
Das lang erhoffte Privileg traf 1799 von Kurfürst Maximilian Joseph für die Dauer von 15 Jahren ein. Es besagte, dass es bei einer Strafe von 100 Dukaten und der Beschlagnahmung aller Vorräte und Werkzeuge verboten sei Senefelder in irgendeiner Weise Konkurrenz zu machen. Dies bezog sich auf „alles, was man auf Stein drucken kann, sowohl schwarz, als auch in Farben“.
1806 eröffnete Senefelder in München seine eigene Druckerei. Dort wurde er von Anton André besucht, welcher von einer Reise aus Wien nach Offenbach zurückehrte und einen Zwischenstop in München machte. Dieser hatte von Senefelders kostengünstiger Druckmethode gehört und verpflichtete ihn sogleich, ihn nach Offenbach zu begleiten, um seine eigene Druckerei zu verbessern. Als Direktor der bayerischen Landkartendruckerei gelang ihm 1826 der Druck farbiger Blätter. Seit dem Jahre 1971 gibt es die „Internationale Senefelder-Stiftung“ mit Sitz in Offenbach a. Main.
Auf die Kenntnisse, die Senefelder durch seine Experimente mit dem Steindruck erworben hatte, bauten die späteren Erfindungen in der Drucktechnik auf.
Dr. Karl Klingspor (1868 – 1950) bekam mit 24 Jahren, im Jahre 1892, die vom Vater erworbene, im Jahre 1842 gegründete Rudhardsche Gießerei übergeben. Zwei Jahre später nahm er seinen Bruder Wilhelm Klingspor als ersten Mitarbeiter auf. Die ehemalige Rudhardsche Gießerei wurde erst durch Dr. Karl Klingspor eine Firma, die international große Bedeutung erlangte. Im Jahre 1906 begann man Druckmaschinen, welche bei Gebr. Klingspor mit insgesamt 53 Gießmaschinen hergestellt wurden, in alle Erdteile zu verkaufen. Unter den 53 Gießmaschinen waren 6 Klingspor- Schnellgießmaschinen, 4 Doppelgießmaschinen, und 37 Komplettgießmaschinen. Das Ziel der Gebrüder Klingspor war es seit 1900, dem Schriftgießereigewerbe zu neuem Aufschwung zu verhelfen. Dies wurde auch von den damaligen namhaften Künstlern unterstützt. Sie entwarfen neue Schriften für die Gebrüder Klingspor und verhalfen der Schriftgießerei zu Weltruhm. Nach einiger Zeit richteten Karl und Wilhelm sich eine Hausdruckerei ein, die als Vorbild diente. Sie trug dazu bei, dass Dr. Karl Klingspor am Tag der Vollendung seines 80 Lebensjahres, dem 03.06.1949, das Ehrenbürgerrecht verliehen wurde. Die Übergabe des Ehrenbürgerbriefes erfolgte am 25. Juni 1948. Dies war nur eine Auszeichnung von vielen, die Karl Klingspor im Laufe seines Lebens erhielt. Als er am ersten Tage des Jahres 1950 in Kronberg starb, hatte er den Rang des Ehrensenators der Universität Gießen erreicht.
Die Verdienste Karl Klingspors sind vielleicht am prägnantesten bei der Verleihung zum Ehrendoktor der Technischen Hochschule in Darmstadt formuliert worden. Dort wurde gesagt: „In Würdigung Ihrer hervorragenden Verdienste um die künstlerische Buchausstattung insbesondere um die Entwicklung der modernen Typografie, die Sie in unermüdlicher und zielbewusster Arbeit mit gereiftem künstlerischen Verständnis durch Herstellung von neuer von berühmten Künstlern entworfenen Druckschriften ungemein bereichert und in neue Bahnen gelenkt haben, haben Ihnen Rektor und Senat der hiesigen Technischen Hochschule die Würde eines Doktor-Ingenieurs ehrenhalber verliehen.“
Die Arbeit an der Klingspor´schen Schriftgießerei teilten die Brüder ab dem Jahr 1859 so auf, dass Wilhelm sich dem kaufmännischen und Karl sich dem technischen und künstlerischen Bereich des Unternehmens widmete. Die Schriftgießerei stellte noch einen weiteren Mitarbeiter ein, der sich ebenfalls einen Namen machte. Rudolf Koch, der einige Jahre später auch den Schriftunterricht an der Offenbacher Kunstgewerbeschule übernahm. Er galt später als größter Schriftkünstler seiner Zeit. Daraus entstand eine so glückliche Verbindung zwischen Industrie, handwerklicher Arbeit, Werkstatt und Schule wie sie es sie noch nie zuvor gegeben hatte.
Karl Klingspor stand der Schule lange Zeit mit Rat zur Seite und schenkte ihr Maschinen für die Druckerei und die fotografische Abteilung. Auch dadurch gewann die Schrift- und Druckkunst internationale Bedeutung. In Frankreich, Schweden, England, und vielen anderen Ländern sagte man, dass Karl Klingspor nicht nur künstlerische Ideen habe, sondern auch die Fähigkeiten besäße, diese Ideen geschäftlich zu nutzen. Dies könne er, obwohl er keine Ausbildung gehabt hätte. Zudem habe er ein gutes Auge bei der Auswahl von Mitarbeitern. Diese Reaktion im Ausland sorgte auch bei den Klingspor Brüdern für Erstaunen.
An seinem Grab, am Waldfriedhof von Oberrad standen bei seiner Beerdigung viele Menschen und betrauerten den Verlust dieser einzigartigen Persönlichkeit. Auch heutzutage verdankt die Stadt Offenbach seinem Ruf viel. In diesem Jahr hat die Schreibwerkstatt Klingspor den Kulturpreis der Stadt Offenbach überreicht bekommen.