Der Himmel hängt wolkenschwer wie das Gemüt – so denke ich in diesen letzten Märztagen. Ein Termin verschlug mich auf die andere Seite des Flusses und zwar in die Neuen Kräme. Wie schön wieder einmal hier zu sein, wo ich als Zwanzigjährige meine Mittagspausen verbrachte, dachte ich mir. Ich ließ mich ein wenig treiben und ging über den Liebfrauenberg fast automatisch auf die Kleinmarkthalle zu. Die kam mir bei leichtem Nieselregen gerade recht. Drinnen kann man das Draußen getrost für zwei Stunden vergessen und sich hineinträumen in bunte Märkte aller Länder: Die Obst- und Gemüsestände am Eingang duften nach Rom oder gar nach Saigon, wenn man gerade an einer Stinkfrucht vorbeigeht. In der Mitte, wo die Früchte dann in getrockneter Form neben Rosenblättern sitzen, kann man sich eher in den großen Bazar von Istanbul denken. Allerlei Salsicce und Pecorino-Varianten versetzen nach Neapel. Ich erstehe eine formschöne Artischocke und einen Beutel getrocknete Verbenenblätter. Noch weiter hinten steht wie immer eine kleine Schlange nach Fleischwurst an, obwohl es Montag ist. Ich lasse mich locken und folge den Stufen nach oben. Hier war ich schon sehr lange nicht mehr, jedenfalls kenne ich die kleinen Marktschenken, in denen man Austern, Fisch oder Focaccie bekommt, bisher nur vom Hörensagen. Für Austern möchte ich lieber nochmal mit einem Begleiter herkommen, das ist lustiger und auch romantischer. Aber auf eine Focaccia mit Parmaschinken und Pecorino lasse ich mich ein, danach ein herrlicher Espresso.
Gestärkt gehe ich wieder hinaus, der Regen hat nachgelassen. Also steht einem Schaufensterbummel in der Töngesgasse nichts mehr im Wege. Ich schaue beim Oxfam-Buchladen rein, lasse ein paar Bücher da und bewundere ein paar Häuser weiter die wunderschönen Bürsten und altmodischen Küchenhandtücher im Bürstenhaus an. Wieder nehme ich mir vor, meine Messer das nächste Mal mitzunehmen und bei Dotiert schärfen zu lassen. Bei Samen-Andreas kaufe ich zwei Lilienknollen und Rosenhandschuhe. Auf der anderen Straßenseite gehe ich, wie jedes Mal in den kleinen Japanischen Laden und kann mich nicht sattsehen an Schälchen und Tässchen – allesamt so schön, dass ich mich nie entscheiden kann und ohne ein Stück hinausgehe. Besonders aufgefallen sind mir diesmal die schönen Stoffe mit diesen typischen, regelmäßigen japanischen Mustern in dunkelblau oder dunkelrot, kleine Bogen oder Sterne, die sich aneinanderreihen. Ich wandere noch weiter geradeaus dorthin, wo die Töngesgasse schon Bleidenstraße heißt, hier entdecke ich ein neues Geschäft mit geflochtenen Taschen aus Marrakech und kleinen Kommoden aus Indien. Auf dem Weg zurück lasse ich mich vom Kaffeeduft in die Rösterei Wacker locken, kaufe einen äthiopischen Arabica und schlendere hinüber zu 2001, ein bisschen bei den Klassik-CDs stöbern. Ja, ich kaufe immer noch CDs – manchmal. Nebenan beim Kartenfachgeschäft erwerbe ich ein Merianheft über Venedig.
Damit begebe ich mich dann zurück ins Mozart. Es nieselt auch schon wieder. Beim Vorübergehen an der Tortentheke entdecke ich die köstliche Johannisbeer-Baiser-Torte. Die muss es jetzt sein. So wie immer, nur das ist schon wieder so ungefähr 5 Jahre her. Gegenüber ist eine Baustelle, ein ganz neues Haus wird da hochgezogen. Früher wohnte dort meine Freundin Doris, das ist, oh je, viel viel länger her.
Es gibt viele Orte, an denen ich gerne sein möchte, in diesem Nicht-Frühling, aber auch viele, wo ich nicht sein möchte, in diesen Zeiten, denke ich. Die Töngesgasse ist gar kein so schlechter Ort.