Ohrenschmaus mit Gänsehaut von Patrik Bishay und David Ambrose im Convention Center Messe

Datum: 25. September 2018

Der erste Herbststurm mit viel Wind und Regen erwischte mich, als ich den Eingang des Convention Center der Messe Offenbach suchte – der liegt nämlich etwas versteckt zwischen Capitol und Messe im Hinterhof. Als ich die Tür erreichte, war ich frisch geduscht – zum zweiten Mal an diesem Tag. Ich trage selten Funktionskleidung und schon gar nicht, wenn ich zu einem Konzert oder einem Live-Hörspiel gehe – und das war der Anlass: Das Live-Hörspiel EX nach dem Roman von David Ambrose und der Komposition von Patrik Bishay. Alle Damen, die es erwischt hatte, fanden sich kurz nach der Ankunft in der Toilette wieder, um sich notdürftig mit Papierhandtüchern ein wenig zu trocknen. Den Wet-Look, den mein Haar aufwies, werde ich so nie mehr hinbekommen. Mein leichter Wollmantel war so nass geworden, dass er ausgebreitet auf den Boden hingelegt werden musste, denn eine Garderobe mit Kleiderbügeln etc. gab es leider nicht.

Überhaupt hätte man diesem musikalischen Wortereignis einen etwas festlicheren Rahmen gewünscht, denn das Convention Center der Messe ist doch sehr nüchtern, zudem stand noch der Laufsteg von der ILM und die Beleuchtung war nicht optimal. Nun gut, alle setzten sich und warteten noch ein Weilchen, bis weitere vom Unwetter überraschte Besucher eingetroffen waren. Meine Füße waren sehr nass, mein Kleid in unteren Teilen auch – und wenn ich nicht gewusst hätte, dass mich bei Patrick Bishay immer ein spannender und toll komponierter Musikgenuss erwartete, weiß ich nicht, ob ich geblieben wäre. Aber ich blieb und sollte es nicht bereuen. Ralph Philipp Ziegler, der mit dem Live-Hörspiel eine neue Reihe startet, hatte es vorausgesagt.

Denn schon als der britische Autor David Ambrose die Fragen von Patrik Bishay beantwortete – und klar wurde, dass er neben seinen spannenden Thrillern, die ich leider nicht kenne, auch noch sehr bekannte Drehbücher und Teile von Star Trek geschrieben hat, versprach der Abend spannend zu werden. Patrik Bishay erzählte, dass er den Roman zum ersten Mal als Jugendlicher in Paris gelesen hätte – und deshalb von der Stadt damals nichts gesehen hätte. Das Buch hat ihn seither begleitet und er wollte mit dem Stoff immer etwas machen, vielleicht eine Oper, aber er konnte damals keinen Kontakt zu David Ambrose finden. Um so schöner, dass der Autor an dem Abend der Uraufführung in Offenbach sein konnte.

Diese war dann tatsächlich vom ersten Satz an der allesamt hervorragenden SprecherInnen sehr spannend – man kann sagen, die Zuhörer hielten den Atem an, um nur alles mitzubekommen. Zusätzlich zu Musikern des Capitol Symphonie Orchesters und den sieben Sprechern, untermalte eine interessante Filmcollage, die einzelne Personen und Orte oder Gegenstände der Handlung einspielte, das Geschehen. Dabei wurde der sogenannte Bleach-Bypass-Effekt verwendet, bei dem der Vorgang des Bleichens bei der Farbfilmentwicklung teilweise oder komplett ausgelassen wird. Wer den Kinohit „Seven“ damals gesehen hat, weiß um die Wirkung. Da werden symbolhaft Namen und Dinge eingeblendet, in einer Art Superacht-Manier, die durch leichtes Verwackeln und andere Effekte, das Unheimliche der Handlung, die sich mit Phänomenen des Übernatürlichen befasst, unterstreichen.

Die Geschichte geht so: An der Manhattan University plant eine Gruppe um den Psychologen Sam Towne ein spektakuläres Experiment. Um zu beweisen, dass es sich bei Geistererscheinungen nicht um jenseitige Wesen, sondern um Halluzinationen der sie erlebenden Menschen handelt, bereitet das Team die Erschaffung eines Geists vor. Journalistin Joanna Cross hat zuvor bereits einen Kreis von Spiritisten aufgedeckt und wird deshalb von Ellie Ray mit einem fürchterlichen Fluch belegt. Damit beginnt Joannas Misere: Das Experiment gelingt in der Tat, doch sind die Auswirkungen für die Teilnehmergruppe alles andere als erfreulich, denn der erschaffene Geist „Adam Wyatt“ zeigt so gar keine Bereitschaft, das Experiment enden zu lassen. Viel lieber möchte er, dass seine Erschaffer die   Realität verlassen. Realität und Illusion, Materie und Geist beginnen sich zu durchdringen.

Den Hörspieltext hat Patrik Bishay in zweijähriger Arbeit von der ersten bis zur letzten Minute durchkomponiert, so dass eine sehr dichte Atmosphäre entsteht und die Zuhörer das Gefühl haben, Teil der Handlung zu werden. Man wird buchstäblich gepackt von den Ereignissen und fiebert mit Joanna und Sam, die ein Liebespaar werden, dem Ende entgegen. Auch die Pause konnte diese Spannung aus Stimmen, Instrumenten und Bildern kaum unterbrechen. Besonders viel hatten die Streicher zu tun, die immer wieder den Spannungsbogen musikalisch aufbauten. Aber auch Flöte, Oboe und Hörner sowie das Cello waren unermüdlich im Einsatz und verschafften den Zuhörern Gänsehaut.

Die Inszenierung des packenden Mystery-Thrillers ist der Beginn der neuen Hörspiel-Reihe des Amts für Kultur- und Sportmanagement der Stadt Offenbach. Das nächste Spektakel dieser Art soll in der Alten Schlosserei stattfinden. Wer eine schaurig-schöne Ahnung von Patrik Bishays Musik bekommen möchte, geht am besten in das Konzert HalloWeeihnacht der Capitol Classic Lounge. Da wird in verschiedenen Musikstücken die Schattenseite des Festes nährgebracht und Patrik Bishay glänzt mit einer Vertonung von Charles Dickens‘ Weihnachtsgeschichte. Die Rhein-Main-Vokalisten untermalen mit dem Orchester stimmlich. Dirigieren wird Steven Lloyd Gonzales.

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