Was passiert in diesen Workshops für Kreatives Schreiben auf Sizilien?

Datum: 25. Oktober 2023
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Habt Ihr Euch das auch schon mal gefragt? Dann gibt es hier ein paar Antworten. Denn diese Frage wird mir immer wieder gestellt, entweder im Vorlauf der Workshops von potenziellen Teilnehmern, aber auch von Zaungästen in unserer Unterkunft „Vela Vega“, die dort Urlaub machen oder als Volunteer arbeiten.

Wenn ich mit Menschen spreche, die ihr Leben lang E-Mails oder andere Sachtexte geschrieben haben, merke ich, dass der Begriff „Kreatives Schreiben“ in Deutschland nie so richtig angekommen ist. Creative Writing ist in den siebziger Jahren mit der Hippie-Welle nach Deutschland geschwappt und wird wahrscheinlich deshalb noch immer von so einem blumigen Bling-Bling umschwebt. Und das, obwohl es inzwischen seit vielen Jahren Studiengänge mit Masterabschluss in diesem Fach an den Universitäten in Leipzig und Hildesheim gibt. Aus denen gehen Schriftsteller, aber auch Drehbuchschreiber und Reporter/ Journalisten und Texterinnen hervor.

Als wir in diesem Jahr am Ende des Schreibworkshops auf Sizilien eine Lesung für alle Gäste veranstalteten und jeder kleine Szenen vorlas, waren die Zuhörer wieder einmal sehr überrascht, wie gut diese Texte waren – fast druckreif und auf jeden Fall sehr gut, um auf sie aufzubauen und weiterzuschreiben.

Erstmal so viel: Mit Esoterik hat Kreatives Schreiben nichts zu tun. Kreatives Schreiben bedeutet Arbeiten am eigenen kontinuierlichen Schreibfluss, am eigenen Stil und am eigenen Ton. Durch unterschiedliche Methoden lernen die Teilnehmer, das Schreiben in den Alltag zu integrieren. Und sie lernen, wie ein Text, der zunächst nur eine Art Tagebucheintrag ist, zu einem literarischen Text werden kann.  

In meinen Workshops machen wir zunächst Übungen, die das Schreiben anregen. Dazu beginnen wir mit intuitivem oder freiem Schreiben. Jeden Morgen, nach dem Frühstück zum Kursbeginn schreiben wir mit der Hand in unsere Notizhefte. Wir leeren unsere Köpfe und jeder schreibt, was ihn gerade durch beschäftigt, möglichst ohne Nachzudenken, ohne Unterbrechung und ohne sich an der Grammatik festzuhalten. Nach 10-12 Minuten stoppen wir und lesen uns das Geschriebene vor, gehen evtl. auf Formen und Themen ein.

Danach gebe ich eine Aufgabe für das Schreiben aus der eigenen Erinnerung. Dabei kann es um unterschiedliche Themen gehen, wie:

  • Beschreibe das Haus/die Wohnung deiner Kindheit. Wie sah es dort aus? Wo hast du dich meistens aufgehalten? Was hast du dort gemacht?

Solche und ähnliche Anregungen gebe ich auch an den folgenden 1-2 Tagen. Dabei kommen dann schon Figuren ins Spiel (die Eltern, die Freunde, andere Verwandte), an denen wir üben können, wie man eine Figur innerhalb einer Geschichte entwickelt. Gleichzeitig beginnen wir mit dem Schreiben von Dialogen.

Um freier zu werden im Schreiben und nicht nur an Erinnerungen zu kleben, wagen wir uns dann am dritten Tag ins echte sizilianische Leben. Wir fahren nach Licata oder nach Agrigent, machen einen Stadtbummel, gehen auf den Markt, setzen uns in Cafés – natürlich immer mit dem Notizheft dabei. Dort beobachten wir Menschen und Szenerien, die wir notieren. Jeder Teilnehmer sucht sich eine Situation heraus, die er oder sie beschreiben möchte. Das wird die Kernszene, an der wir uns in den nächsten Tagen abarbeiten. Zwischen den Schreib- und Lesesessions machen wir immer wieder Übungen zur Lockerung des Schreibflusses. Das geschieht mit Textcollagen, bei denen wir Wörter aus Magazinen und Zeitungen zu Gedichten oder ersten Sätzen zusammenstellen oder bei denen wir aus Wortpaaren eine Geschichte entwickeln oder eine Geschichte zu einem Foto erdenken. Durch diese Übungen fällt den Teilnehmerinnen das Schreiben immer leichter, oft wollen sie gar nicht mehr aufhören. Die Assoziationskraft wird gestärkt und sie bekommen ein Gefühl dafür, wie sie erzählende Texte frei gestalten können. Das macht unheimlich viel Spaß und stärkt das Selbstbewusstsein, weil man sich auf einmal etwas zutraut. Für viele ist das Kreative Schreiben ein Abenteuer, auf das sie sich vorher im Leben nie eingelassen haben. Immer mussten Texte fachlich, sachlich und richtig sein – nie durften sie sich Ausflüge der Fantasie erlauben. Auf der Insel Sizilien erhalten wir für dieses Kopfkino unheimlich viele Anregungen und sind ganz weit weg von unseren Alltagsbeschäftigungen und vielleicht auch den kleinen Nöten und Sorgen. Bei all dem Schreiben machen die Teilnehmer auch noch die Erfahrung, dass es guttut, zu schreiben. Es kann eine Hilfe und Stütze im Alltag sein, es kann einem eine ganze Welt der Fantasie aufschließen – und dazu führen, dass man endlich einem lang schlummernden Schreibprojekt in sich, Wörter verschafft. So entstehen Geschichten, die wir Familienmitgliedern, Freunden oder vielleicht sogar einem größeren Publikum weitergeben.

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